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Die erste Puppe

Teilbeitrag aus "Das geht bis in die Puppen" aus der DDR-Wochenzeitschrift NBI 51/1973


Erinnern Sie sich noch? - fragte ich Journalisten-Kollegen.


Hilde Eisler, Chefredakteurin "Magazin"


"Und ob. Es war eine Gliederpuppe, und sie trug ein blauweiß gestreiftes Pikeekleid. Ich war vier Jahre alt und machte auf sie meinen ersten Vers, den meine Mutter nicht ohne Stolz notierte:

"Püppchen, Püppchen, was machst du in deinem Stübchen? Ich spiele, spiele auf meiner Violine."


Gudrun Friedrich, Kulturredakteurin NBI


"Viele Jahre galt ihr meine Sehnsucht: der Lieblingspuppe meiner Mutter. Ich bekam sie erst, als ich fast aus dem Puppenalter heraus, aber - wie meine Mutter meinte - nun ihrer würdig wahr, der schönen alten Puppe mit Porzellankopf. Doch ihre Besonderheit wurde ihr gleich am ersten Tag zum Verhängnis. Jede meiner Freundinnen wollte sie mal anfassen. Sie fiel hin und zerbrach. Meine Mutter tröstete mich. Aber nun wollte ich nie mehr eine Puppe haben."


Lieselotte Thoms-Heinrich, Chefredakteurin "Für Dich"


(besitz mehr als 50 Puppen, die sie von Auslandsreisen als Souvenirs mitbrachte): "Puppen wurden von meinen Eltern, die mit dem Geld sehr rechnen mussten, selbst genäht. Und es gab für sie eine Art Sammelbegriff: Schackeline. So hieß meine erste, und so hießen alle, die ihr folgten. Schackeline wurde für mich der Inbegriff für Puppen. Erst viel später fragte ich mich, was es mit diesem Namen auf sich hatte. Ich kam zu keiner anderen Lösung: Gemeint war wohl ganz schlicht der französische Name "Jaqueline"."


Marianne Baumgardt, Sachbearbeiterin NBI


"1940 bekam ich sie und nannte sie Gudrun, weil ich mir immer eine Schwester wünschte, aber ich bekam nur Brüder: vier an der Zahl. Mehr als eine Puppe mochte ich das Jungenspielzeug. In der unerbittlichen Zeit der Kriegswirren rettete ich sie aber als das mir Liebste in meinem Rucksack. Als "Kriegskind" zur Welt gekommen, erlebt Gudrun heute - in einer Puppenklinik geheilt und neu eingekleidet - den friedlichen Alltag auf der Couch meiner Mutter, deren acht Enkelkinder am liebsten mit ihr spielen."


Sonja Peter, Redakteurin NBI


"Ich erinnere mich an Hansel I und Hansel II. Hansel I war ein knuddeliges Puppenbaby, Hansel II ein Geschenk aus der Sowjetunion - ein starr geformter Zelluloid - Pionier, mit rotem Halstuch und rotem Stern an der Budjonny-Mütze. Vielleicht hätte er in meinem Kinderleben nie eine Rolle gespielt. Aber man schrieb die dreißiger Jahre. Ich durfte mein rotes Pionier-Halstuch nicht mehr tragen. Und so wurde Hansel II mein erstes Stück Illegalität. Bei einer Haussuchung nahm ihn mir die Gestapo weg. Seit dieser Zeit gab es keine anderen Puppen mehr für mich. Aber Hansel I trug fortan einen roten Fleck auf der Stirn. Ich hatte versucht, ihn mit Tusche einen Stern aufzumalen."

Text: Christa Otten

Foto: Klaus Morgenstern

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