Die zahlreichen Puppenfabriken der Stadt Waltershausen
Produkte des VEB biggi Waltershausen
Mit Puppen aus Pappmaché fing Johann D. Kestner 1815 mit der ersten Puppenproduktion an. Er lieferte in jenen Jahren erstmals Pappmaché-Puppenköpfe und Puppenkörper aus weißem Leder
nach England und den Niederlanden. Die Köpfe der Puppen fertigte er in seiner eigenen Firma, die ledernen Puppenkörper wurden von Heimarbeitern genäht. Johann D. Kestner betrieb nebenher eine eigene Produktion. Es entwickelte sich eine der größten und bedeutendsten Puppenfabriken seiner Zeit. Im Jahr 1885 gründeten der Modelleur Ernst Kämmer und der Kaufmann Franz Reinhardt eine Puppenfabrik, die Geschichte schreiben sollte. Sie bauten unter den 13 Puppenfabriken in Waltershausen und Umgebung die größte und leistungsstärkste Fabrik auf. Bereits um 1890 brachte die Firma die ersten sprechenden Puppen heraus, eine Weltneuheit. Um 1909 gingen die Charakterpuppen in Produktion und eroberten den Weltmarkt. Schlag auf Schlag kamen neue Puppen-Generationen in immer wieder innovativen Varianten auf den Markt. So wurden im Jahr
1910 vom Modelleur Krauser die bekannten Puppen Hans und Gretchen geschaffen. Nur vier Jahre später beschäftigte das Unternehmen 160 Fabrik- und 200 Heimarbeiter.
Die zahlreichen Puppenfabriken der Stadt Waltershausen wurden in der DDR nach und nach verstaatlicht. Sie wurden vereinigt in einem volkseigenen Betrieb mit dem gemeinsamen Firmenzeichen „biggi“. Ab 1976 hieß er VEB Puppenfabrik biggi Waltershausen. Die Puppenproduktion konnte Mitte der Achtzigerjahre dank Rekonstruktion und Rationalisierung enorm erhöht werden - jetzt stellte man am Fließband alle acht Sekunden eine neue Puppe her.
Puppen aus dem Hause Franz Schmidt & Co
Franz Schmidt war 1889 Mitbegründer des Unternehmens.
Als Neuerer hatte er eine Reihe von Erfindungen und Verbesserungen für die Charakterpuppen der Firma parat. Hauptprodukte waren Kugelgelenk-Puppen aus Pappmaché, Zelluloid, Holz, Leder und Textil. Später wurden die Charakterpuppen mit Köpfen aus Biskuitporzellan hergestellt. Für die Puppenköpfe nach eigenen Entwürfen arbeitete die Firma eng mit Porzellan-Herstellern aus der Region zusammen, unter anderem mit Simon & Halbig aus Gräfenhain. Schmidt lies als erster den Puppen Glasaugen einsetzten und montierte Schlafaugen. Ab 1912 erhielten sie offene Nasenlöcher und ab 1913 einen geöffneten Mund mit beweglicher Zunge. Die hergestellten Puppen wurden in fast allen Ländern Europas verkauft und nach Übersee exportiert. Heute sind die Puppen begehrte und gesuchte Sammlerstücke.
Sohn Arno leitete nach dem Tod von Franz Schmidt im Zweiten Weltkrieg ab 1942 das
Unternehmen, das nach dessen Tod 1946 an Helene Schmidt und Irmgard Steiner überging.
1955 kam es zu einem Großbrand. Das Archiv der Firma und die Porzellanformen wurden größtenteils unwiederbringlich zerstört. Noch im selben Jahr wurde mit dem Wiederaufbau unter Harald Steiner, einem Enkel von Franz Schmidt, begonnen. Anstelle von Porzellankopfpuppen wurden nun Puppen aus Papiermaché hergestellt.
Private Unternehmen schränkte der Staat in der DDR massiv ein. Notwendige Ersatz- und Neuinvestitionen wurden blockiert, so dass eine Modernisierung der Puppenfertigung von Papiermaché- auf Plastikpuppen nicht mehr machbar war.“ So stellten Harald Steiner und seine Ehefrau Helga das Unternehmen nach und nach auf die Produktion von Plüschtieren um.
1972 wurde das Unternehmen Franz Schmidt & Co. verstaatlicht und hieß ab 23. April 1972 VEB Plüschspielwaren Georgenthal. Helga Steiner blieb Werksleiterin im früheren Betrieb, ihr Mann wurde Verkaufschef im VEB. 1980 wurde die Leitung vom VEB biggi Waltershausen übernommen,
der ab 1981 zum VEB Kombinat Spielwaren Sonneberg gehörte. Die Verluste nach der Wende waren trotz langer Tradition enorm. Die biggi Spielwaren GmbH hatte keinen Erfolg. Das Gebäude von 1902 ist weitgehend original erhalten. Nach der Wende 1990 gab es in Waltershausen keine industrielle Fertigung von Puppen mehr. Der VEB biggi Waltershausen wurde abgewickelt. Eine Schaufenstervitrine und das Museum Schloss Tenneberg sind die einzigen Zeugen, die an die großen Zeiten der Traditionspuppen erinnern.
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